Frauen in technischen Berufen

Twitter (mal wieder):

„Programmiersprachen sind auch Sprachen. Sollten als Pflichtfach in der Schule eingeführt werden. Nicht als naturwissenschaftliches Fach, sondern im Sprachblock wie Englisch und Französisch. Mädchen sind gut in Sprachen. Interessanter Ansatz von Stephanie Bschorr „

Mit der Antwort von @IlsankerGeeky war dann eigentlich alles dazu gesagt:

„Einem Mädchen zu erzählen dass Programmiersprachen auch irgendwie Sprachen sind, nur weil man glaubt dass Mädchen sich eher für Sprachen interessieren? Da kann man auch ein rosa verpacktes Päckchen nehmen um einen Schraubenschlüssel unterzujubeln.“

Aber ich musste mich mit einem vorlauten Statement auch noch äußern:

„Programmieren für alle – ein sehr komplexes Thema. Ich werde in den nächsten Tagen mal meine Gedanken und Erfahrungen darüber zusammenfassen. Auch ob ich darüber Mädchen für Naturwissenschaft interessieren kann.“

und nun wurde ich daran erinnert.

Nun gut, ich versuche es.
Es sind 2 Themen, die getrennt betrachtet werden:
1.) Sollen/müssen Alle Programmieren lernen? und
2.) Kann das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern geweckt werden und wie könnte das geschehen?

1.) Sollen/müssen Alle Programmieren lernen?

Wenn heute von „Programmieren in der Grundschule“ gesprochen wird, dann sprechen wir nicht von Basic, Pascal oder Cobol, sondern auf einer grafischen Benutzeroberfläche werden Blöcke zu Befehlen zusammengesetzt. Kinder lernen, bzw. es wird das Verständnis geweckt, dass dem Computer, der den kleinen Roboter steuert, Befehle gegeben werden können und dass die Maschine das tut, was der Computer befiehlt. Habe ich einen Fehler in meinem Programm, dann macht auch der Roboter dummes Zeug. Solches Arbeiten stärkt das logische Denkvermögen und lässt Kinder erkennen, dass Computer auch nur das tun, was Menschen ihnen beibringen (zumindest zur Zeit noch).

Dieses „Programmieren“ macht Sinn und kann natürlich immer weiter ausgebaut werden. Aber das heisst nicht, dass alle Schüler zu Programmierern ausgebildet werden sollen. Es sollte aber allen Diskutanten klar sein, dass ein Grundverständnis für die Digitalisierung absolut notwendig ist und dass damit auch im Grundschulalter die Basis gelegt werden sollte, nicht nur zu den technischen Fragen sondern auch zu den sozialen Aspekten der Digitalisierung.

2.) Kann das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern geweckt werden und wie könnte das geschehen?

Warum interessieren sich die meisten Frauen so wenig für Technik?

  1. Es liegt in den Genen bzw. in jahrtausend-langer Prägung?
  2. Es wird durch Erziehung, bzw. durch das soziale Umfeld geprägt – wenn Mütter, Tanten und Omas den Mädchen den Playmobil-Ponyhof schenken und den Jungs die Technik-Baukästen hat das einen Einfluss.

In meinem Umfeld (Familie) kann ich Prototypen studieren (Sohn und Enkel, die absolut der Jungs/Technik-Kategorie zuzuordnen sind). Ja, es sind Umwelteinflüsse da, aber das Interesse an Technik lag bei beiden schon in der Wiege vor. Puppen und Puppenhäuser konnten absolut nicht mit den Technikbaukästen konkurrieren.

Zu dem Problem mit der Mathematik gibt es einige Studien, aus denen abgeleitet werden kann, dass Mädchen in die „Ich bin in Mathe-Deko“-Rolle hineinerzogen werden:

Also muss eine Umerziehung der Eltern, Familie, Lehrpersonal etc. stattfinden ebenso ein Umdenken in der Gesellschaft. PinkStinks legt den Finger in die Wunde der sexistischen Werbung. So lange dies publiziert wird und von der Mehrheit der Gesellschaft als lustig empfunden wird, sieht es schlecht aus:

Zwischenruf: Wie hoch ist eigentlich der Frauenanteil in den Bereichen Werbung und Marketing? Schaufeln sich Frauen da das eigene Grab?

Führt das Ausmerzen sexistischer Werbung und Gender-Marketing dazu, dass sich mehr Frauen für Technik interessieren?
Nein, aber das Vermeiden der Rosa-Hellblau-Falle hilft Mädchen und Jungen sich frei von äußeren Einflüssen nach ihren Neigungen zu entfalten.

Wieviel Frauen studieren denn nun in den technischen Fächern?
Es gibt einige Zusammenfassungen, aber hierbei ist nicht immer ersichtlich was unter den Begriffen „naturwissenschaftlich“, „Ingenieurwesen“ etc. zusammenaddiert wird, aber es zeigt, das in den „klassischen“ technischen Berufen (Elektrotechnik, Maschinenbau etc.) der Frauenanteil sehr gering ist.

http://www.studienwahl.de/data/File/pdf/Themennavigation/Studieren/Stuwa_Studiengangwahl_der_Maenner_und_Frauen_online.pdf

„In den klassischen ingenieurwissenschaftlichen Fächern dagegen bleiben Frauen auch Anfang des 21. Jahrhunderts unterrepräsentiert. Unter den klassischen Maschinenbaustudierenden war im Wintersemester 2016/17 jede Zehnte eine Frau. Klassische deshalb, weil in einzelnen Disziplinen des Studienbereiches Maschinenbau sehr wohl gute Frauenquote anzutreffen waren, etwa in der dazu zählenden Gesundheitstechnik oder der Textil- und Umwelttechnik. Mau sieht es auch in der Elektrotechnik (worunter auch IT fällt) und in der Mechatronik aus (13% und 9%). Ebenso unterrepräsentiert waren Frauen im Studienbereich Verkehrstechnik (12,5%), wozu die Studienfächer Fahrzeug-, Luft- und Raumfahrt- sowie Schiffstechnik, Verkehrsingenieurwesen und Nautik zählen.“

Quelle:  https://www.ingenieur.de/karriere/arbeitsleben/frauen-erobern-den-ingenieurberuf/

Statistik zum selbst rechnen:
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/StudierendeHochschulenEndg2110410187004.pdf?__blob=publicationFile

Okay, zurück zur Ausgangsfrage: Wie kann das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern geweckt werden?
– Mädchen sind prinzipiell nicht schlechter in Mathe als Jungs,
– allerdings finden Jungs die Technik interessanter als Mädchen,
– das schlägt sich besonders in den Kernbereichen Elektrotechnik und Maschninenbau nieder
–> Prägung durch die Gesellschaft hat mM nach entscheidenden Anteil daran, dass Mädchen und Frauen der Technik fern bleiben.

Kleine Randbemerkung (kann ich mir nicht verkneifen): sozialistische Staaten waren da schon mal weiter und je konservativer die Gesellschaft, desto weniger Frauen finden den Einstieg in die technischen Berufe.

Frauenstudiengänge – der falsche Ansatz!

Meine erste Reaktion: Schwachsinn! Nach längerem Überlegen: Bringt nix, einstampfen. Genau wie Mädchenschulen.

Wir leben nun im 21. Jahrhundert und sollten uns von den Diskussionen über „Frauen hier“ – „Männer da“ endlich verabschieden. Dazu gehört allerdings noch eine gehörige Portion umdenken auf beiden Seiten.

  • Angefangen bei den rosa und hellblauen Stramplern (wer kauft denn das? zu 99% die Frauen!)
  • später zu Abenteuer-Spielzeug für Jungs und den Ponyhof für Mädchen (den Quatsch gabs in meiner Kindheit zum Glück noch nicht) – Wer hier die Prägung für zukünftiges Selbstbewustsein und Platz in der Gesellschaft negiert, sollte noch mal die Schulbank drücken.

Ja, in einer bestimmten Lebensphase lieben Mädchen anscheinend alles was rosa ist. Sollte man dann auch nicht verbieten, aber für den Quatsch mit rosa Osterhasen mit dem Aufdruck „für Mädchen“ sollte Ferrero mit Boykott bestraft werden (trotz Mon Cherie – halte ich seit fast 3 Jahren durch).

Ich ging auch auf ein Mädchen-Gymnasium, obwohl ich viel lieber auf das Jungs-Gymnasium mit meinen Klassenkameraden aus der Volksschule gegangen wäre. Aber in den 50ern tat man das nicht. Danach folge noch eine frauenspezifische Ausbildung „Elektrotechnische Assistentin“ und dann der Kulturschock „Fachhochschule“. 600 Studenten und 3 -4 Frauen. Den Schlüssel für die Damentoilette mussten wir immer im Sekretariat holen. ABER: das waren äußerst wichtige Erfahrungen im Umgang mit Männern, die dann ja auch später zu 100% die Arbeitskollegen stellten, die bei Lieferanten und Kunden die Gesprächspartner waren. Ob ein Frauenstudiengang darauf vorbereitet wage ich zu bezweifeln.

Auf der einen Seite werden die Netzwerke der Männer kritisiert, dagegen sollen Netzwerke der Frauen helfen. Nein: bildet endlich gemeinsame Netzwerke. Schüttet die Gräben zwischen den Geschlechtern zu anstatt sie durch den Aufbau eigener Netzwerke zu vertiefen.

Diese Spaltung wird auch durch die Sprache vertieft. Die zum Teil exzessive Nutzung des Binnen-I schadet im meinen Augen mehr als es nutzt. Louise F. Pusch <https://de.wikipedia.org/wiki/Luise_F._Pusch> hat 1984 in ihrem Aufsatz „Das Deutsche als Männersprache. Diagnose und Therapievorschläge den Vorschlag gemacht Berufsbezeichnungen generell als geschlechtslos anzusehen. Wie es auch wunderbar in der englischen Sprache funktioniert. „She is the General“. Leider wurde diese Idee zerschlagen und Frau Pusch schwenkte um und setzt sich seitdem für das Binnen-I ein. Schade!

Ich bin Ingenieur und das bleibe ich auch. Ich brauche kein Anhängsel. Und natürlich fühle und fühlte ich mich immer angesprochen, wenn in einer Anzeige ein Ingenieur gesucht wurde/wird. Ich bin es ja!

Und jetzt noch eine böse Schuldzuweisung: Frauen beschweren sich, dass ihnen die Männerwelt den Zugang zu höheren Positionen verwehrt, dass Männer übergriffig werden etc. Aber wer bitte erzieht auch heute noch überwiegend die Kinder? Wer kauft geschlechterspezifisches Spielzeug und Kleidung? Hier müssen Frauen massiv eingreifen nicht nur als Konsumenten sondern auch auf der Seite der Produzenten und Anbieter.