Postprivacy, Öffentliche Meinung und Teamarbeit

„Ich twittere wie ich bin“
Das kann ich persönlich tun, denn ich bin unbekannt, meine Nachbarn im Dorf lesen keine Tweets und ich stehe nicht im Fokus der Presse, da ich kein öffentliches Amt innehabe. Ich habe aber durchaus 2 Seiten. Mir wird das manchmal bewusst, wenn ich am Gartenzaun stehe und mit der Nachbarin über Garten, Enkel oder Mütter rede und zuvor gerade über Postprivacy, Gerndergedöns oder ähnliches getwittert habe. Bin ich dadurch unehrlich oder nicht authentisch? Nein, ich bewege mich sozusagen in 2 Welten. Da sich ansonsten kein Journalist für mich interessiert und damit über beide Welten hinweg berichten würde, kann ich fröhlich weitertwittern.

Auf der #spack1 berichtete Birgit Rydlewski über ihr Twittergate. Sie twittert seit Jahren sehr freizügig, sehr privat. das nicht mehr tun zu können, empfindet sie als „sich verbiegen müssen“. Muss ich als „öffentliche“ Person auf die Umwelt Rücksicht  nehmen? Sie ist Politiker, bei den Piraten UND Frau.
Das sind 3 Faktoren, die zu einer Potenzierung des Interesses der Presse führen. Alles von den Piraten wird genüsslich seziert und wenn eine Frau im Mittelpunkt steht noch lieber!
Wie soll damit umgegangen werden?
Für mich ist das zunächst einmal eine ganz individuelle Angelegenheit. Ich muss für mich persönlich entscheiden, wie ich als öffentlicher Mensch gesehen werden will:

  1. ich trete nicht mehr so exponiert in der Öffentlichkeit auf (es muss ja nicht nur das Twittern sein, kann sich auch auf Kleidung, Sprache etc. beziehen)
  2. ich bleibe wie ich bin

Im Fall 1) werden nur die Bildzeitung und SPON traurig sein.
Im Fall 2):

  • Muss ich wissen, dass irgendwann ein Sturm losgehen wird und von allen Seiten jede Menge Gülle über mich ausgegossen werden wird. Damit muss ich leben (können).

Ich denke viele Menschen, die plötzlich im Rampenlicht stehen (wie gerade alle Piraten, die irgendwelche Ämter bekleiden) sind sich dessen bewusst. Aber ein Faktor wird selten berücksichtigt. Fast alle Menschen (speziell aber die Piraten-Politiker) sind Teil eines Teams. Jede Fraktion oder andere Gruppierung (auch die Familie kann dazu gehören), die zusammenarbeitet, muss in diese Entscheidung der persönlichen öffentlichen Darstellung einbezogen werden, die die öffentliche Meinung fällt auf die Gruppe zurück. Ein Amt innezuhaben oder für eine Gruppe in der Öffentlichkeit zu stehen bedeutet: „Ich bin ein Teamplayer!“ Ich muss mich dann auch als Teamplayer verhalten. Speziell bei der Piratenpartei wird die persönliche Individualität und Authentizität hoch gepriesen. Aber auch hier ist zu überlegen, was unterstützt die gemeinsame Arbeit bzw. muss evtl. die Individualität zugunsten des gemeinsamen Ziels begrenzt werden.

Update (20.11., 18:30 Uhr): gerade im freitag gelesen:
Muss man sich anpassen, um im politischen System erfolgreich zu sein?
Die Frage, wie man eine andere Politik durchsetzt, ignoriert meiner Meinung nach oft, das man in der Wahl der Mittel nicht frei ist. Wir haben im Moment ein politisches System, das ohne wesentliche Bürgerbeteiligungselemente funktioniert. Wenn man hier etwas verändern möchte, muss man ja erstmal in dem System wirkmächtig werden. Und das geht nicht, indem man in Fundamentalopposition geht, weil man dann eben nichts bewegt.
Aus einem Interview mit Christopher Lauer.

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